Eigentlich sollte diese Frage ja spätestens seit dem neuen Teilhabestärkungsgesetz so ziemlich geklärt sein. Ich dachte nicht das ich so schnell erneut an die Grenze der Möglichkeiten stoßen sollte, aber doch schon 2 Monate nach Bestehen der Abschlussprüfung kam ich bei ihr an und sie stand beim Schwimmverein des Freibades. Seit diesem Jahr bin ich aktives Mitglied im Schwimmverein geworden und da ich doch lieber den vorsichtigen Weg wähle und ich mich lieber ankündige, anstatt gleich mit Assistenzhund anzuklingeln, fragte ich erstmal beim Schwimmmeister nach, ob ich denn Jule mitbringen darf. (Wobei dieser Begriff Schwimmmeister oder Bademeister ist ja eigentlich nicht mehr korrekt ist, es heißt heute: Fachangestellter für Bäderbetriebe. Aber trotzdem sagen alle weiter Bademeister.) Doch bevor ich den Mut dazu hatte, fragte ich nochmal eine Schwimmfreundin und diese meinte aber: „Nur zu, das ist wichtig das Dein Hund mitdarf, nur keine falsche Scheu, vielleicht müssen sich die Leute dran gewöhnen dass sie dann hier im Schwimmbad einen Hund mit Kenndecke sehen, aber in ein paar Jahren wird sich niemand mehr drüber wundern.“ Als ich den Bademeister fragte, reagierte dieser erfreulicherweise erstmal interessiert und verständnisvoll. Er sagte das er selber nichts dagegen hat, jedoch würde er befürchten das dann erstmal sehr viele Badegäste zu ihm kommen und ihn fragen werden, warum nun ein Hund im Schwimmbad ist und darauf freue er sich nicht wirklich. Aber er sei nicht weisungsbefugt und verwies mich an den Vorstand des Vereins, ich solle eine Email schreiben und direkt anfragen. Dann kam noch ein dickes und überraschendes ABER: Als ich sagte das ein Assistenzhund nach den neuen Gesetzen über all da hin darf, wo auch Menschen mit Straßenschuhen hindürfen, entgegnete er, hier sei aber eine Barfußzone. Oh, da war sie die neue Grenze. Tja eine Barfußzone, ich glaube an die hat man damals bei den Gesetzen nicht sofort gedacht? Naja es ging ja auch erstmal darum das man Assistenzhunde in öffentliche Gebäude mitnehmen darf, in Arztpraxen, Behörden, Krankenhäuser, Supermärkte usw. Und ich finde es ist schon enorm viel wenn man bedenkt das man sogar in Krankenhäuser mit Assistenzhund darf, nur eben nicht in den OP und auf Intensivstation, aber sonst fast überall und das bedeutet schon mal viel viel mehr Freiheit.

Also schrieb ich eine freundliche Mail an den Vorstand des Schwimmvereins und wartete auf Antwort, aber erstmal passierte gar nichts. Meine Idee war, in dem Sommer mit meiner Hundetrainerin 2 oder 3 Trainingsstunden im Freibad einzuplanen um mit Jule diese neue Situation einzuüben, das sie wirklich brav am Platz bleibt, während ich schwimme und wie sie ggf. in der Not helfen könnte. Ich dachte im Freibad fällt es evtl. auch nicht gleich auf, denn es gibt ja auch Rasenflächen wo ein Hund nicht gleich jedem ins Auge fällt. Aber erstmal kam keine Antwort. Nach 2 Monaten schrieb ich eine Erinnerungsmail und auf diese bekam ich dann eine Antwort und diese war freundlich, kurz und bündig : Der Assistenzhund darf nicht mit ins Bad, das wars, mehr stand zum Thema Hund nicht. Ich ließ das nicht so stehen und schrieb nochmal an den Vorstand, erklärte warum ich den Hund brauche und verwies mit einem Link auf das neue Teilhabestärkungsgesetz. Es dauerte wieder mit der Antwort, mittlerweile war die Freibadsaison schon fast zu ende und ich warte noch heute auf eine Antwort und jetzt ist Herbst und die Freibadsaison ist zu ende. Tja 4 Monate waren verstrichen. inzwischen hatte ich meine Hundetrainerin darüber informiert und auch sie erkundigte sich an verschiedenen Stellen. Auch Pfoten Piloten konnte nicht wirklich weiter helfen. Ich habe nach längerem Überlegen an die Antidiskriminisierungsstelle des Bundes geschrieben und dann hat sich noch ein Herr, der eigentlich ein Vermittler für Verwaltungen und behinderten Menschen ist, angeboten in meinem Fall zwischen dem Verein und mir zu vermitteln. Das hatte mich gefreut, aber ich konnte sein Angebot noch nicht annehmen, denn ich habe auch etwas Sorge, das ich mich damit dann beim Verein so richtig unbeliebt mache und ich brauche noch etwas Zeit um darüber nachzudenken, wie ich weiter vorgehen will.
Es bleibt spannend und kostet wie immer ganz viel Kraft und Nerven, sich durchzusetzen. wie so oft bin ich am überlegen, kriege ich es vielleicht doch auch ohne meinen Hund hin? Ich mag diese Bittstellungen überhaupt nicht. Im Sommer ging es ohne Jule soweit ganz gut: Der Bademeister war wirklich sehr entgegenkommend, er hatte mich immer im Blick, wenn er mich in der Menschen Schlange an der Kasse sah, dann kam er an die Seite und holte mich rein, damit ich nicht warten musste und wenn er wusste es würden viele Badegäste an dem Tag kommen, dann warnte er mich vor oder er riet mir entweder zu einer bestimmten Schwimmzeit zu kommen oder aber dann gleich in den Mitgliederbereich zu wechseln, der auch in der Ferienzeit nie ganz voll war und so hatte ich Alternativen. Es fühlte sich gut an, das aus meiner Behinderung kein Tamtam gemacht wurde und ich als vollwertiges Mitglied recht normal behandelt wurde. So hatte ich seit vielen Jahren, ja fast schon seit Beginn der PTBS die Möglichkeit das Schwimmen gehen zu genießen und ich blicke jetzt auf einen wirklich sehr sehr schönen Sommer zurück. Jule hatte ich immer solange zuhause gelassen, ich war meistens max. 3 Stunden weg. Ich habe ein neues schönes Hobby und ich war wirklich, egal wie das Wetter auch war, 3 – 4 x pro Woche schwimmen, manchmal hatte ich ein 50 Meter Becken ganz für mich alleine. Jetzt ist die Hallensaison und bislang war ich noch nicht los, weil die Trainingszeiten abends sind, wenn es schon dunkel ist und das ist wieder ein Hindernis, denn ich bin im Dunkeln nicht gerne unterwegs. Noch ist es nicht allzu kalt, wir haben ja einen geradezu warmen Herbst, da könnte Jule im Auto auf mich warten, aber ich muss erstmal wieder über diese Hemmschwelle hinweg kommen. Übrigens laut Bäderland darf ein Assistenzhund mit ins Schwimmbad, nur ich mag nicht gleich im Schwimmbad mit Jule und Trainerin üben, wenn alle möglichen Menschen da sind und uns anstarren. Das Thema wird mich wohl noch eine Zeit lang begleiten… ich werde weiter berichten.
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