Mein Anfang zum Thema Assistenzhund liegt schon einige Jahre zurück, ich würde fast sagen, als ich mich mit dem Gedanken beschäftigte, in dem Jahr wurde auch Jule geboren und das stimmt sogar. Es war das Jahr 2017 und ich hatte inzwischen meinen 3. Klinikaufenthalt in einer Trauma Klinik hinter mir. Ich bin seit 2014 an einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung mit dissoziativer Teilidentitätsstörung chronisch erkrankt. Tja was versteht man unter Dissoziationen? Also ich würde es ganz einfach als einen Schutzmechanismus der Psyche bezeichnen und eigentlich ist es so was ähnliches wie ein tranceähnlicher Zustand und eigentlich erleben es in abgemilderter Weise ganz viele Menschen. Schutzmechanismus meint, wenn die Seele etwas erlebt, was für sie sehr oder sogar zu belastend ist wie z.B. körperliche Gewalt, dann kann sie sich sozusagen abschalten, also man geht innerlich davon weg und später kann man sich daran auch nicht mehr erinnern. Es wird sozusagen abgespalten und weggepackt. Aber in einem dissoziativen Zustand passiert noch mehr. Man nennt es auf Englisch to freeze / einfrieren.

Und wenn ich etwas erlebe, das mich an früher an eine schlimme Situation aus der Kindheit irgendwie erinnert, dann fängt das Einfrieren an und wenn ich nicht sofort dagegen angehe, dann geht es soweit, das ich einfach nur noch starr bin. Ich bin starr, bewege mich nicht mehr, mein Blick ist ganz leer, so als wäre ich nicht da und in gewisser Weise stimmt das auch, aber nur in gewisser Weise, denn was sich nicht abschalten lässt, das ist das Gehör. Ich kann mich nicht bewegen, ich kann nicht sprechen, es ist ähnlich wie wenn einem eine Gliedmaße einschläft, nur bei mir ist es der ganze Körper, erst wird alles ganz fest angespannt und dann am Punkt of no Return verliert man die Kontrolle und auch das Hirn „friert“ gewissermaßen ein, man kann nicht mehr wirklich denken.

Fachärzte und Therapeuten haben mir erklärt, das dieser Schutz wichtig für die Seele ist, weil sonst würde man ggf. auch sterben, aber dank des Mechanismus habe ich damals überlebt, nur ist so ein Zustand für mich mega unangenehm und den kann man auch nicht einfach so unterbrechen. Ein dissoziativer Zustand kann auch mehrere Stunden anhalten. Und diese Zustände können jederzeit auftreten, ich muss mich noch nicht mal bewusst an etwas Schlimmes erinnern, an vieles von Früher habe ich gar keine Erinnerungen mehr, aber dennoch stellt das was ich im Außen erlebe dann zu meinem Unterbewusstsein eine Verknüpfung her und schon beginnt es, das sich dieses Eis entwickelt und ausbreitet und wenn ich nichts dagegen rechtzeitig unternehme, wie zum Beispiel einfach wegzugehen, dann wird es schlimmstenfalls zur Starre. Ich habe es zuhause auch oft erlebt, das ich hier ganz alleine saß, fernsehen geguckt hatte und dann hatte mich etwas angetriggert und schon ging es los. Da ich alleine lebe, war dann da niemand von außen der mir helfen konnte. In der Klinik wurde dann von den Mitpatienten jemand aus dem Therapeutenteam geholt und diese Person half mir dagegen anzusteuern und meiner Psyche klar zu machen, das ich eben nicht mehr in der Vergangenheit lebe, sondern im Hier und Jetzt und die konnten mich dann anleiten, die Kontrolle zurück zu bekommen.

Oft habe ich hinterher daran keine Erinnerung mehr. Aber ich bekomme dennoch mit wie meine Umwelt reagiert und das ist schlimm für mich. Tja und dann hörte ich damals von den Assistenzhunden, die sowas anzeigen, weil sie solche Gefahren erschnüffeln können.

Ich habe zwar ein professionelles Netzwerk von Helfern aber eben nicht rund um die Uhr und so besprach ich diesen Wunsch mit meiner Therapeutin. Einige aus meinem Netzwerk, einige Betreuer fand diese Idee nicht so gut, naja ich denke es lag daran das es noch sehr neu war. Es kamen viele Bedenken wie z.B:

Ist so eine Aufgabe nicht zuviel Stress für einen Hund?

Wenn der Hund auch noch bei Alpträumen aufwecken soll; dann hat der Hund ja einen gestörten Tag/Nacht Rhythmus!

Wird sich dein Stress auf den Hund übertragen? Hunde sind doch so sensibel? Wird der Hund von soviel Stress nicht krank ?

Das sind nur einige anfängliche Abers, die wohl alle berechtigte Fragen waren, aber sie gehören in die Hände von einem/er guten Assistenzhundetrainer/in, denn diese kann sowas wirklich beantworten. Und diese suchte ich und zum Glück fand ich sie auch.

Natürlich ist es wichtig einen in sich ruhenden Hund zu haben, der einerseits Spaß am Arbeiten hat, aber der auch eine gewisse Resilienz und Empathie besitzt. Bevor ich mich damit beschäftigte nach Fördermitteln oder einem geeigneten Hund Ausschau zu halten, testete meine Therapeutin erstmal ob ich mit einem Hund wirklich klarkomme und so arbeitete ich ehrenamtlich in einem Tierheim und lernte dort das wichtige Hunde 1×1, um vernünftig mit Hunden umzugehen. Und als klar war, das das geht und auch das Umfeld steht, da machte ich mich auf den weiteren Weg um nach einer Trainerin und Fördermitteln zugucken.

Jule kam 3 Jahre später zu mir, bis dato dauerte die Vorbereitung und wenn dann ein Assistenzhund in Ausbildung ( oder ein fertiger ) ins Leben kommt, dann muss man sich in gewisser Weise schon klar sein, das man therapeutisch gesehen einen etwas anderen Weg mit dem Hund gemeinsam geht. Ich lebe mit Jule alleine, ok dazu gehören auch noch 2 Kater, aber ich bin 24 Stunden am Tag für die Versorgung meines Hundes zuständig, ich hatte mich dann für die assistierte Selbstausbildung entschieden, weil ich auch nicht soviel Geld hatte und auch das ist nochmal eine Herausforderung, denn man bekommt von der Trainerin gezeigt was der Hund können muss und wie man es dem Hund beibringt, aber das Einüben das bleibt dann beim Besitzer.

Ich werde diese Entscheidung aber nie bereuen, ich liebe meine Jule, sie ist ein toller Hund, sie hilft mir super im Alltag, klar es gibt auch Tage, da hat sie auch mal kurzfristig Flausen im Kopf und dann erschreckt sie mich, in dem sie mal kurz für 5 – 10 min. ausbüxt, um dann aber freudig wiederzukommen. Schließlich ist auch ein Assistenzhund einfach nur ein Hund. Sie erkennt wenn es mir schlecht geht, sie erkennt wenn ich dissoziiere und sucht dann penetrant meine Aufmerksamkeit, was gut ist. Sie bringt mir Medikamente oder aber das Telefon. Sie hält andere auf Abstand und sie kann mich auch an sichere Orte bringen oder aus Situationen herausführen. Das waren früher alles Situationen wo ich alleine und meist ohne Hilfe war, auf Jule kann ich mich aber immer voll verlassen.