
Wo ist das Problem?
Das Thema Assistenzhund ist ein schwieriges. Einerseits profitieren alle Assistenzhunde-Teams vom Interesse der Mitmenschen. Je mehr über das Thema bekannt ist, desto leichter wird es für uns im Alltag.
Andererseits ist ein Gespräch über den eigenen Assistenzhund in den meisten Fällen sofort sehr persönlich. Es geht um den eigenen Gesundheitszustand und fundamentale Schwächen. Und das meistens ziemlich einseitig.
Gut. Das wichtigste zuerst. Interesse ist wunderbar.
Wir alle profitieren sehr davon, wenn wir einander offen begegnen. Ich finde es super wichtig, dass bekannt wird, dass Blindenhunde die bekanntesten aber lange nicht die einzigen Assistenzhunde sind. Unsere Gesellschaft braucht ein Bewusstsein für die Existenz unsichtbarer Behinderungen.
Wenn wir Kindern mit oder ohne Eltern begegnen, ist es oft sehr einfach, ihnen ihre Fragen zu beantworten. Ich mache das sehr gerne. Für Kinder ist eine Begegnung mit einem Assistenzhund erst mal ein ganz alltägliches Abenteuer, sie staunen darüber und dann scheint sich ihnen die natürliche Logik zu erschließen. Vielleicht auch deshalb, weil es für mich leichter ist, Kindern zu erklären, dass ich Schwierigkeiten in Menschenmengen und bei der Kommunikation mit Menschen habe, als Erwachsenen zu erklären, dass ich Autistin bin.
Solange Mia noch in der Ausbildung ist, trägt sie auf ihrer Kenndecke einen Aufnäher mit der Aufschrift “Ich lerne! Nicht stören”. Vermutlich deshalb werde ich von Erwachsenen oft gefragt, wofür denn der Hund ausgebildet werde oder für wen. Was für eine Behinderung der Mensch denn habe, für den der Hund sei. Und was genau der Hund dann leisten solle. Manche Menschen finden es toll, dass ich einen Hund für einen behinderten Menschen ausbilde.
Hmmm. Ich unterstelle in solchen Situationen erst mal grundsätzlich positive Intentionen. Ich möchte ja niemanden für sein Interesse vor den Kopf stoßen.
Aber was bitte soll ich denn in so einer Situation antworten?
Es scheint in unserer Gesellschaft sonst nicht üblich zu sein, mit völlig Fremden spontan über derart sensible Themen zu sprechen. Man fragt Fremde normalerweise nicht als erstes, was passiert ist, dass sie ihren Arm im Gips tragen, wie es sich anfühlt, Akne oder Adipositas zu haben, oder ob sie kürzlich einen geliebten Menschen verloren haben. Jedenfalls habe ich bisher nicht den Eindruck bekommen, dass unsere Gesellschaft so funktioniert.
Gerade in für mich anstrengenden Situationen, wenn ich zum Beispiel gerade im Supermarkt bin oder durch die Stadt gehe, fällt es mir oft sehr schwer, auf derartige Fragen eine gute Antwort zu finden.
“Oh Mist, das hätte mir auch passieren können, dass ich so eine Frage stelle. Mich interessiert das. Ich möchte aber auch niemanden in Bedrängnis bringen. Was mache ich jetzt?”
Falls Sie etwas ähnliches gerade gedacht haben, habe ich einen Vorschlag für eine solche Situation. Natürlich ohne Erfolgsgarantie. Aber ich denke, für mich würde es so funktionieren. Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus und seien Sie auf eine Abweisung vorbereitet:
“Hallo, darf ich Sie kurz ansprechen? Ich interessiere mich für Ihren Hund.”
Die Antwort könnte eine der beiden folgenden sein oder irgendetwas dazwischen.
„Hallo. Tut mir leid, es ist gerade schlecht. Vielleicht beim nächsten Mal, in Ordnung?“
„Oh ja, sehr gerne! Was möchten Sie wissen?“
Ansonsten bleibt mir an dieser Stelle nur, Sie zu bitten, einfach Mal drei unsichtbare Behinderungen aufzuzählen. Sprechen Sie mit Ihren Freund*innen und Ihrer Familie darüber. Werden Sie sich bewusst, dass man Menschen nicht alles ansehen kann.
Danke!
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